Ich freu mich drauf

Quelle: PC Games
Steht eine 4 am Ende des Namens, gehen erst mal die Alarmsirenen an. 4 war vielleicht das beste Album von Foreigner, aber bei Computerspielen riecht diese Zahl verdächtig nach ungehemmtem Fortsetzungstrieb und Fließbandmentalität. Solche Sorgen relativieren sich freilich, wenn der Serienauftakt bereits vor 14 Jahren erfolgte - und die neueste Neuauflage so viele clevere Verbesserungen enthält wie Civilization 4.
Eben mal schnell die Menschheitsgeschichte nachspielen, mit Forschung und Städtegründungen, Diplomatie und Kriegsführung: Der legendäre Suchteffekt ist auch beim vierten Teil der Serie quicklebendig. Mit welchen Neuerungen auch bislang abstinente Strategen zur "Civologie" bekehrt werden sollen, haben wir uns in Sid Meiers Entwicklungsstudio Firaxis Games genauer angesehen.
"Das ist die am leichtesten zugängliche Civilization-Version, die es jemals gab", betont Produzent Barry Caudill die Einstiegsdrogen-Tauglichkeit der vierten Auflage. Der Spielablauf ist traditionell rundenbasiert, doch bei der Bedienung nähert man sich zeitgenössischen Echtzeit-Strategie-Standards an. Die Benutzeroberfläche war zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch nicht ganz fertig, erinnert aber durchaus an Age of Empires und Konsorten. Bunte Icons am unteren Bildrand zeigen, welche Aktionen sich mit der selektierten Einheit anstellen lassen. Die linke Maustaste sorgt für Bewegungsmanöver, Klicks mit rechts dagegen für Angriffe.
Auch die 3D-Grafik-Engine macht das Spiel leichter verständlich. Produktionsstätten oder Stadt-Upgrades sind nicht in Untermenüs versteckt, sondern werden jetzt auf der Landkarte gezeigt. Der Übersicht zuliebe nimmt man es mit den Maßstäben nicht ganz so genau: Da werden Gebäude schon mal von Soldaten überragt, was in der spielerischen Praxis aber wenig stört. Die Betrachterkamera lässt sich stufenlos drehen und zoomen, bis schließlich der ganze rotierende Planet zu sehen ist.
Das Militär lernt mehr
Je nach Einheit und Gegnertyp unterschiedliche 3D-Animationen heitern die Kämpfe auf, aber viel wichtiger sind die spielerischen Änderungen. Ein einheitlicher Stärkewert von 1 bis 100 ersetzt die getrennten Angriffs- und Verteidigungspunkte früherer Folgen. Damit soll das berüchtigte Phänomen ein Ende haben, dass ein Speerträger mit etwas Glück eine Panzer-Einheit besiegen konnte.
Mehrere Einheiten lassen sich zu einem Verband zusammenschließen, dessen Mitglieder bei Kämpfen der Reihe nach antreten (der Computer wählt dabei die sinnvollste Reihenfolge beim Antreten zum Schlagabtausch). Solche Gruppenreisende mögen sich aber vor Belagerungswaffen wie Katapulten und Kanonen hüten, deren Trefferradius sämtliche Verbandsmitglieder gleichzeitig beschädigt.
Alle militärischen Einheiten sammeln durch überstandene Kämpfe Erfahrung, bis schließlich ein blaues Glimmen die Beförderungsreife signalisiert. Je nach Soldatentyp stehen verschiedene Upgrades in bestimmten Kategorien zur Wahl, zum Beispiel Boni bei der Stadtverteidigung oder im Kampf gegen die Infanterie. So ist Kavallerie-Einheiten der Erwerb des "Flankieren"-Talents vorbehalten, das einem die Chance gibt, sich erfolgreich aus einem Kampf zurückzuziehen.
Sie können bei jeder Beförderung entweder eine neue Vergünstigung wählen oder bereits Gelerntes weiter verbessern. Dadurch machen Sie aus Ihren Militärs allmählich individuelle Spezialistentruppen oder vielseitige Allrounder. Entsteht eine neue Einheit in einem Ort mit Kaserne, bekommt sie bei ihrer Produktion die erste Level-Beförderung gleich geschenkt, was in der Startphase ein bedeutender Vorteil ist.
Kirche und Staat
Der besondere Reiz von Civilization bestand schon immer in der ausgewogenen Mischung aus Aufbau, Forschung und Eroberung. Entsprechend rührig waren die Designer auch jenseits des Kampfsystems: "Statt einfach nur eine Staatsform mit bestimmten Vor- und Nachteilen zu wählen, bist du jetzt bei deinem Stil flexibler", kündigt Barry Caudill an.
In den fünf Kategorien "Regierung", "Justiz", "Arbeiterrechte", "Wirtschaft" und "Religion" stehen jeweils fünf Varianten zur Wahl, die man beliebig kombinieren kann (einige Auswahlmöglichkeiten müssen erst durch Forschung freigeschaltet werden). Fröhlich lassen Sie Ihren staatsmännischen Fantasien freien Lauf, kombinieren beispielsweise ein theokratisches Regime mit der totalen Verstaatlichung des Eigentums oder verquicken freie Marktwirtschaft mit legalisierter Sklavenhaltung.
Wieder dabei ist der bei Teil 3 eingeführte Kulturwert: Prestigeträchtige Bauten und Wunderwerke erweitern die Ausmaße Ihres Imperiums, wodurch angrenzende Städte anderer Reiche eingemeindet werden. Bei Civilization 4 kommen Religionen dazu, die Sie durch Entsendung von Missionaren anderen Nationen schmackhaft machen. Wird eine Stadt bekehrt, verbleibt die zwar im Reich des Gegners, Sie erhalten aber jetzt Informationen über deren Infrastruktur und in der Nähe befindliche Einheiten.
Außerdem gibt´s pro Runde eine kleine Goldspende - lang lebe die Kollekte. Im Diplomatiebereich fällt das Erzielen von Verhandlungsergebnissen leichter, wenn die andere Seite denselben Glauben hegt und pflegt. Zu Spielbeginn sollten Sie versuchen, durch Forschung als erste Nation eine der sieben Religionen zu gründen. Dadurch wird eine ihrer Ortschaften zur heiligen Stadt der jeweiligen Konfession erkoren, was die ansässige Bevölkerung mächtig glücklich macht.
Auch klein ist fein
"Jetzt kannst du auch mit wenigen, gut ausgebauten Städten gegenüber einem riesigen Imperium mithalten", spricht Lead Designer Soren Johnson eine weitere wichtige Änderung an. In früheren Versionen war die Gründung möglichst vieler Städte ein probates Erfolgsmittel. Doch richtete sich damals die Höhe der Imperiums-Unterhaltskosten nach der Anzahl der Upgrades und Gebäude, ist diese Summe bei Civilization 4 mittlerweile von der Städteanzahl abhängig.
Die Masche der Blitz-Expansion hat also mehr Nachteile, wie Soren betont: "Konzentriere dich auf die vier, fünf besten Standorte und perfektioniere diese Städte. Deine Unterhaltskosten bleiben niedrig und umso schneller kommst du zu neuen Forschungsergebnissen." Auch hier gibt es mehr strategische Tiefe, denn der neu designte Technologie-Baum ist weniger linear aufgebaut. Um zum Beispiel als Erster bestimmte militärische Einheiten zu erhalten, kann man andere Forschungsbereiche außen vor lassen.
Multiplayer-Durchbruch
Multiplayer war bislang so etwas wie das schwarze Schaf der Civilization-Familie. Egal ob Netzwerk-Oldie CivNet oder wackelige Erweiterungsbemühungen bei Teil 3, etwas richtig Stabiles und Spaßiges kam dabei nie heraus. Bis jetzt zumindest: Civilization 4 wurde als erster Spross der Serie von vornherein auf Mehrspieler-Tauglichkeit programmiert. Bis zu zwölf Spieler können sich in einer Partie tummeln, vielleicht wird diese aktuelle Obergrenze sogar noch erhöht: Alle 18 Zivilisationen in einer Multiplayer-Partie zu haben, wäre das höchste aller Gefühle.
Bei den Spielvarianten gibt es eine Vielzahl von Karten, Start- und Siegesbedingungen. Als wir im Firaxis-Labor Platz nehmen, erholen sich einige Tester gerade von einer besonders konfliktträchtigen Variante: nur eine Stadt pro Spieler und ständiger Kriegszustand - da knistert das Betriebsklima. Im Mittelpunkt der Designbemühungen steht aber Teamwork-Tauglichkeit.
Alle möglichen Bündnisformen lassen sich zwischen den Spielern aushandeln, vom offenen Grenzverkehr über koordinierte Forschung bis hin zum militärischen Beistandspakt. Wer es ganz friedlich mag, schließt sich mit allen menschlichen Mitstreitern zusammen und bekämpft gemeinsam Computergegner.
(Heinrich Lenhardt)